Kunst im Theater: Die Entdeckung des Himmels
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Eine (zu) kurze Inhaltsangabe
Onno und Max werden Freunde! Der Sprachwissenschaftler und der Astronom gehen den Fragen, die die Menschheit bewegt, auf ganz unterschiedliche Art nach. Dies führt zu einem munteren Schlagabtausch an konträren Einsichten. Auf der Bühne erlebt man die beiden so verschiedenen Männer gleichermaßen angezogen vom Wissen, das der Romanautor Harry Mulisch ihnen ebenso geistreich, humorvoll und überbordend in den Mund gelegt hat. Die Begegnung mit der faszinierenden Cellistin, Ada Broens, läßt sie schließlich zu zwei Vätern eines Kindes werden, dem zudem eine besondere Begabung in die Wiege gelegt wurde: es ist zu Höherem bestimmt und sein Lebensweg Teil eines Plans, den Engel steuern und kommentieren. Denn der Vertrag zwischen Gott und den Menschen, die Zehn Gebote, stehen seit den Schrecken des 20. Jahrhunderts in Frage. Wird Quinten zum Auserwählten, der diesen Vertrag auf Erden wiederfindet? Und was wird damit geschehen? Können die Menschen noch hoffen, dass Gott sich nicht von ihnen abwendet? Der Inszenierung auf der Bühne eröffnen sich besondere Möglichkeiten, aus Mulischs Erfolgsroman eine komplexe Komödie über die großen Fragen unserer Zeit zu machen.
Michelangelo! – Harry Mulisch und die Kunstgeschichte
„Ein Gedanke hatte für ihn immer mehr Realität als das Sichtbare“, sagt Harry Mulisch über seinen Sprachwissenschaftler Onno Quist. Der Astronom Max Delius hingegen reibt sich ständig die Augen vor lauter Bildern, die sich ihm nicht nur mittels seiner Teleskope eröffnen. Die Bezüge zur Kunstgeschichte sind in Mulischs Roman Die Entdeckung des Himmels reich gestreut. Quinten geht schon als Kind auf Gut Rechteren bei einem Kunsthistoriker und einem Bildhauer „in die Schule“ und fragt sich, ob er nicht gar Kunstgeschichte studieren solle, um manche Rätsel der Welt besser lösen zu können.
Immer wieder sind es Bilder, die Mulischs Protagonisten in der Geschichte vorantreiben: Sichtbares, das sich in ihre Sprache und ihre Träume einschleicht. Die Bildsprache mag archaisch oder zeitgenössisch sein – die Künstler sind immer schon da. Die Figur des Moses hat es Mulisch besonders angetan, wie er streng, den himmlischen Auftrag stemmend, die Gesetzestafeln gen Erde trägt. Die merkwürdigen Hörner auf seinem Kopf bei Michelangelos Skulptur in San Pietro in Vincoli in Rom, die schon Quinten verwirren, werden als Übersetzungsfehler erläutert: nicht „gehörnt“ (cornutus), sondern „mit Strahlen gekrönt“ (coronatus) sollte es wohl geheißen haben. Nur dass dies 1513 noch nicht bis zum Bildhauer vorgedrungen war. Michelangelo war einer von denen, die aus einem Marmorblock so lange etwas heraus meißelten, bis allmählich etwas Neues sichtbar wurde. Erzeugen durch Entfernen!
Auch das Licht hat es Quinten angetan. Er fühlt sich von einem gleißenden Licht geradezu angezogen, wenn es im römischen Pantheon als Streifen durch die Öffnung in der Kuppel eindringt. Mulisch erinnert an Hieronymus Bosch und seinen Lichtkegel im Triptychon in Venedig mit dem Aufstieg ins himmlische Paradies.
Herausragend ist die Kunst in ihrer visualisierenden Bedeutung für die Akteure, wo sie Bilder für den Raum und die Wirkung des perspektivischen Sehens formuliert. „Gott und die Erfindung der Zentralperspektive“, die dafür sorgt, dass die Maler seinen Thron nicht mehr einfach in den Wolken „fixieren“ können, wie Ada bemerkt. Auf die gestalterischen Tricks des Architekten Domenico Fontana. reagieren Onno und Quinten, als sie schließlich seine Scala Sancta im Lateran erklimmen.
Diese mit so vielen Erwartungen befrachtete Kunst wird von Mulisch in allen Epochen auf ihre Antworten zu den großen Themen befragt: die Rolle der Perspektive (wo ist der Platz des Menschen), die suggestive Kraft des Lichts, die unheimlichen Fragen des Raumes und der Materie, erarbeitet von van Eyck bis Goya, von den asketischen Gestalten eines El Greco über die Bühnenarchitekturen des Galli Bibiena bis zu den Kerkerszenen eines Giovanni Piranesi.
So bleiben alle noch so verlorenen und vereinzelten Figuren Mulischs verbunden über die Wirkung der Bilder. Die Kunst, ja die Kunstgeschichte, so Max, gelte ihm „nicht nur als Leitfaden für politisches Handeln, sondern auch für das wissenschaftliche Verständnis der Welt!“